• Okt
    06.

    Dublin-Frankfurt: Gut gebrüllt Löwe

    Es klingt mit geschlossenen Augen wie ein in der Ferne raunendes Grollen, dann wie ein näher kommender Donner. Und stünde man nicht mitten im Frankfurter Zoo vor einem Gehege mit gepanzertem Glas, hielte man das Grollen und die heiseren Stoßlaute für ein sich zusammenbrauendes Gewitter über der Savanne. Bis der noch nicht sichtbar in einem Nebenraum des Geheges wartende 180 Kilo schwere Löwen-Mann Kumar mit einem wütenden Brüllen unmissverständlich klarmacht, wer hier bald der neue Chef im Revier sein wird.
    In der Savanne ginge solch eine nahe Begegnung mit dem König der Tiere nicht so heiter aus wie jetzt. Aber der elfjährige asiatische Löwe Kumar hat überhaupt keine Lust dazu, sich zu zeigen. Ende August war er aus dem Zoo von Dublin, dem viertältesten Zoo der Welt und mit 500.000 Besuchern jährlich eine der größten Besucherattraktionen der Insel, nach Frankfurt gekommen ist und soll nun nach einmonatiger Quarantäne in sein neues Revier einziehen. Zoodirektor Manfred Niekisch nimmt das vor Oberbürgermeister Peter Feldmann und den geladenen Pressegästen mit Gelassenheit hin: „Es ist mir und dem Team des Katzendschungels lieber so, als wenn der Löwe herauspreschen und brüllend gegen die Scheibe donnern würde.“ Denn das sei das erste gewesen, erzählt Manfred Niekisch, was er gemacht hat als er aus Dublin angekommen ist: gebrüllt wie ein Löwe! Der irische Fahrer, der ihn in seiner Umzugskiste von Dublin mit der Fähre von Irish Ferries über Großbritannien über Frankreich nach Frankfurt gebracht hat, habe ihm versichert: „Wenn der im Zoo gebrüllt hat, haben in Dublin-Zentrum die Scheiben gewackelt.“ 

    So geht dank Kumar auch im Frankfurter Zoo ein nettes irisch-deutsches  Story Telling los. In der Nachbaranlage, die von Kumars neuem Revier ebenfalls durch eine Glasscheibe, aber auch mit einem Gitter zum einander Beriechen versehen ist, zieht die mit vier Jahren noch junge Asiatische Löwendame Zarina angespannt und nervös ihre Bahnen. Sie hat nach dem Tod ihres Partners Kashi, der unlängst wegen zahlreicher Altersleiden eingeschläfert werden musste, fast 20 Kilo an Gewicht verloren und braucht dringend einen neuen Gefährten. Jetzt hofft man im Zoo, dass die beiden sich vertragen werden. Natürlich würden sich alle über Nachwuchs freuen; Kumar hat dafür woanders schon mehrfach gesorgt. Asiatische Löwen werden erst im vierten Lebensjahr geschlechtsreif, so wäre es für die nervöse Zarina jetzt an der Zeit.
    Und für die hochbedrohten Könige des Tierreichs – die asiatischen Löwen – ist es sowieso höchste Zeit. Sie stehen aktuell auf der Roten Liste der Weltnaturschutz Union IUCN als stark gefährdet. Ihre Lebensräume in Süd-West-Asien, wo sie einst weit verbreitet lebten, sind nahezu vernichtet. „Man geht derzeit nur noch von einer Populationsgröße  von insgesamt 350 Tieren im Gir-Nationalpark im indischen Bundesstaat Gujarat aus“, erklärt Zoodirektor Niekisch. „Um die Art vor dem Aussterben zu bewahren, ist der Aufbau einer stabilen Zoopopulation besonders wichtig.“ Deshalb ist Kumar von Dublin nach Frankfurt gereist. Im Zoo von Edinburgh geboren, kennt er den Lebensraum seiner Kumpels in der Wildnis ohnehin nicht und ist ganz auf ein Leben im Zoo eingestellt

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    Während also noch weitererzählt und ein echter Löwenzahn gezeigt wird, der aussieht wie ein doppelter halbfingerlanger Eiszapfen und daneben ein zerbröckelter Zahn, der Kumar in der Quarantäne gezogen werden musste... da geschieht es. Kumar schießt einmal kurz aus seiner Kammer heraus, zieht sich wieder zurück und wird  von den Tierpflegern nun irgendwie „überredet“, endlich in seinem Gehege Platz zu nehmen. Und da sitzt er nun wie ein Bild von einem Löwen, reglos, sachte und erhaben zugleich. Ein wunderschöner zwei Meter langer, schlanker und zum Sprung bereiter muskulöser Körper mit herrlicher Mähne. Den tief forschenden wachsamen Blick hat er auf uns vor der Scheibe gerichtet als wolle er sagen: „You know, I am the King from Dublin!“