Nov
17.
In Deutschland leben etwa 200 000 Patienten mit einer Schwäche des
Herzmuskels, die Ärzte als chronische Herzinsuffizienz bezeichnen. „Die
meisten Patienten befinden sich dank Medikamenten und Herzschrittmachern in
einem stabilen Zustand“, sagt Professor Dr. med. Friedrich Köhler, Charité-
Universitätsmedizin Berlin: „Es kann jedoch jederzeit zu einer Verschlechterung
kommen. Wird sie nicht rechtzeitig erkannt, werden lange und für die
Versicherer kostspielige Krankenhausbehandlungen erforderlich.“
Eine drohende Krise zeichnet sich häufig durch einen Rückgang des
Blutdrucks, eine Pulsbeschleunigung oder durch eine Gewichtszunahme
aufgrund von Wassereinlagerungen im Gewebe ab. „Die Patienten spüren dies
zunächst nicht“, erläutert Professor Köhler, der an der Charité das Zentrum für
kardiovaskuläre Telemedizin leitet. „Bei einer frühzeitigen Diagnose können wir
jedoch häufig gegensteuern und eine Verschlechterung, vielleicht sogar einen
vorzeitigen Todesfall verhindern.“
Ob die tägliche Übermittlung der Daten an ein Kontrollzentrum ein geeignetes
Frühwarnsystem ist, wird derzeit in Deutschland in der sogenannten Fontane-
Studie an 1 500 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz untersucht. Die
Hälfte der Patienten erhält ein Gerät. Mit diesem übermitteln sie täglich Blutdruck, Puls, Körpergewicht und andere Daten. „Das Ziel ist, die Zahl der
Tage zu vermindern, die durch Krankenhausaufenthalte oder einen vorzeitigen
Tod verloren gehen“, erläutert Professor Köhler. Ob dies gelingt, ist derzeit
noch offen. Erste Ergebnisse der Studie sollen 2018 vorliegen.
Zwei frühere Studien haben bereits belegt, dass eine telemedizinische
Überwachung die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Menschen
mit schwerer Herzinsuffizienz verbessern kann. In beiden Studien wurden die
Signale von implantierten Geräten aufgefangen. In der CHAMPION-Studie war
dies ein Druckmesser in der Lungenarterie, in der IN-TIME-Studie wurden die
Daten eines implantierten Defibrillators (ICD) telemedizinisch an ein Zentrum
übermittelt. In zwei weiteren Studien – MORE-Care und REM-HF – hat die
Fernabfrage von Herzschrittmachern und ICD-Systemen die Situation der
Patienten dagegen nicht verbessern können. Professor Köhler betont: „Wir
müssen deshalb in jedem Fall prüfen, ob ein telemedizinisches Monitoring
sinnvoll ist.“ Der Experte kann sich vorstellen, dass die Telemedizin vor allem
Patienten auf dem Lande helfen könnte, rechtzeitig medizinische Hilfe zu
erhalten. Professor Köhler erklärt: „Wir haben in Deutschland
Versorgungsunterschiede zwischen dem ländlichen Raum und den
Metropolregionen. Diese müssen dringend beseitigt werden.“
Einen Arztbesuch ersetzen soll und darf die Telemedizin jedoch nicht. „Eine
ausschließlich telemedizinische Betreuung von Patienten ist in Deutschland
verboten“, sagt Professor Köhler. Die Versorgungsqualität müsse erhalten
bleiben. „Es gelten die gleichen Standards wie für den Arztbesuch“, verspricht
Professor Köhler. „Die Behandlung von Menschen mit chronischer
Herzinsuffizienz muss persönlich durch einen Facharzt erfolgen nach
ausreichender Aufklärung und unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht.“
Über diese Anfordernisse an eine
telemedizinische Versorgung sowie den aktuellen Stand der Fontane-Studie
informierte Professor Köhler am Thementag „Innere Medizin: Zukunftstechnologien und Remote Patient Management“ am 16. November auf der MEDICA EDUCATION CONFERENCE in Düsseldorf.