Nov
16.
Die ausreichende Kontrolle des Blutzuckerspiegels, auch glykämische Kontrolle
genannt, ist Ziel der Behandlung von Diabetespatienten. Eine mangelnde
glykämische Kontrolle mit ständig erhöhten Blutzuckerwerten verursacht
Diabeteskomplikationen, wie Augen-, Herz- und Nierenerkrankungen. Aber
auch Hypoglykämie, ein zu niedriger Blutzuckerspiegel, kann lebensgefährlich
sein und stellt eine schwerwiegende Komplikation bei mit Insulin behandelten
Patienten dar. „Sowohl Patienten mit Typ-1-, als auch Patienten mit Typ-2-
Diabetes mellitus benötigen daher sehr gute Kenntnisse über ihre Krankheit,
um ein Selbstmanagement mit engmaschiger Verlaufskontrolle durch ihren
jeweiligen Diabetesexperten zu ermöglichen“, betont Dr. Julia Mader von der
Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen
Universität Graz. „So kann die Diabetestherapie rechtzeitig angepasst werden.“
Bis vor Kurzem konnte die Interaktion zwischen Patient und Arzt nur während
der Sprechstunden stattfinden und es gab etliche limitierende Faktoren –
beispielsweise den Facharztmangel auf dem Land, die Arbeitszeiten der
Diabetesexperten oder die Erreichbarkeit der Diabetesexperten im Allgemeinen
die eine fachärztliche Behandlung bei einem Großteil der betroffenen
Patienten behinderte. „In den letzten Jahren wurden aber mehrere mobile
Lösungen für Patienten mit chronischen Krankheiten entwickelt“, berichtet die
Expertin. „Der Diabetesmarkt umfasst heute eine ganze Reihe neuer
Technologien, die auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen.“
Die neuen Technologien umfassen beides, Geräte beziehungsweise Lösungen
sowohl für Patienten als auch für medizinisches Fachpersonal (Health Care
Professionals, kurz: HCP). Oft besteht eine Interaktion zwischen der
patientenorientierten Lösung und der HCP-Anwendung für eine gemeinsame
Datennutzung, um dem behandelnden Arzt die Möglichkeit zu geben, mit dem
Patienten auf Wunsch zu interagieren.
Technologien, die hauptsächlich zur Nutzung für Patienten konzipiert wurden,
umfassen elektronische Tagebücher, Ernährungsratgeber und Bewegungs-
Tracker, in die Patienten ihre Daten eingeben können und Empfehlungen vom
System erhalten. Anspruchsvollere Geräte beinhalten individualisierte,
sogenannte Bolusrechner, die den Patienten bei ihrer Entscheidung hinsichtlich
der Insulindosis helfen. Außerdem besteht bei der Mehrheit der momentan
erhältlichen Insulinpumpen und (kontinuierlichen) Glukosemessgeräten die
Möglichkeit des Datenaustausches mit dem medizinischen Fachpersonal zu
Anpassungen der Therapie. Da jedoch die Frage nach der Vergütung für
Telemedizin noch nicht geklärt ist, ist die Bereitschaft begrenzt, eine derartige
Dienstleistung anzubieten. Darüber hinaus müssen auch noch
Rahmenbedingungen hinsichtlich des Datenschutzes geschaffen werden.
Für die Nutzung durch medizinisches Fachpersonal sind nicht nur
Risikokalkulatoren, beispielsweise zur Berechnung des individuellen
kardiovaskularen Risikos, wie den „Heart Risk Calculator“
(http://www.cvriskcalculator.com), sondern auch Entscheidungshilfesysteme für
Diabetesmanagement im Krankenhausumfeld (GlucoTab)
www.glucotab.at, Glucommander https://www.glytesystems.com)
erhältlich. „Neuere Versionen werden in Zukunft sowohl individualisierte
Therapieansätze als auch eine zeitnahe Einleitung des
Entlassungsmanagements umfassen – beispielsweise ein Patiententraining zur Handhabung von Blutzuckermessgeräten, Insulin-Pens und Diabetes-
Selbstmanagement“, erläutert Dr. Mader.
In einem nächsten Schritt werden diese Systeme im ambulanten Bereich und
zur Hausarztnutzung verfügbar gemacht werden. Derartige Systeme werden die
Barriere zur Einleitung einer Insulintherapie durch nicht-fachkundige Nutzer wie
beispielsweise Hausärzte reduzieren, weil sie nicht nur bei der Einleitung einer
Insulintherapie, sondern auch bei der Anpassung der Insulindosis helfen.
Zusätzlich ermöglichen sie eine Interaktion des Hausarztes mit einem
Diabetesexperten, falls der Hausarzt diese für notwendig hält. „Als
ganzheitliches System besteht das Ziel darin, den Patienten als Ganzes zu
sehen,“ erklärt Dr. Mader. Also nicht nur den Diabetes zu behandeln, sondern
auch den Nichtfachmann daran zu erinnern, regelmäßig nach
Folgekomplikationen wie Neuropathie, Retinopathie, Nephropathie oder
kardiovaskuläre Erkrankungen zu screenen und die bestehenden
Folgekomplikationen bei einer Intensivierung oder Deintensivierung der
Therapie zu berücksichtigen. „Schlussendlich wird Mobile Health dabei helfen,
das Diabetesmanagement zu vereinfachen“, fasst die Expertin zusammen,
„Trotzdem wird eine regelmäßige Fachberatung erforderlich sein.“ Über solche
Ansätze auf dem Gebiet der Telemedizin berichtete Dr. Julia Mader, Keynote
Speakerin der MEDICA EDUCATION CONFERENCE 2016, auf der
Pressekonferenz am 16. November in Düsseldorf.